„Einfühlsam wiederbelebt“ – Choranima Nova überzeugt mit Passionskonzert

„Der für die Sünde der Welt gemarterte und sterbende JESUS“ – Berthold Heinrich Brockes, ein Richter aus Hamburg, veröffentlichte dieses Passions-Oratorium im Jahr 1712, was ihn sofort berühmt machte. In seinem Text erleben wir eine Dramatisierung der biblischen Geschichte der Kreuzigung Jesu – alle Ereignisse werden als Erlebnisse individueller Personen gezeichnet.

Der Text von Berthold Heinrich Brockes war im gesamten 18. Jahrhundert sehr in Mode; aus heutiger Sicht beeindrucken sprachmächtige Formulierungen wie zum Beispiel die folgende:

Jetzt reißen sie das unbefleckte Lamm, wie Tiger, voller Wut zur Erden. Ach schau! Jetzt fängt man an mit gräßlichen Gebärden ihm Hand und Fuß, ihm Arm und Sehnen erbärmlich auszudehnen, mit Stricken auszuzerrn, mit Nägeln anzupflöcken, dass man an ihm fast alle Beine zählt! Ach Gott! Ich sterbe schier vor Schrecken, und werde fast durchs bloße Sehn entseelt!

Die Deklamation dieser Texte durch den auf das Barockfach spezialisierten Tenor Henning Kaiser, aber auch durch die anderen „durchweg jungen und vorzüglichen Solisten“ (so die Hannoversche Allgemeine Zeitung in ihrer Konzertkritik) war denn auch sehens- und hörenswert.

Der Text des Berthold Heinrich Brockes wurde von Händel, Telemann und anderen vertont; selbst Johann Sebastian Bach nutzte Teile davon für seine Johannespassion. Eine der wichtigsten Kompositionen ist dabei die von Gottfried Heinrich Stölzel aus dem Jahre 1725. Stölzel war zuletzt Hofkapellmeister in Gotha; sein Ruf übertraf zeitweise sogar den des Johann Sebastian Bach.

Choranima Nova trug diese sogenannte „Brockes-Passion“ am 28. Februar 2015 in der evangelisch-reformierten Kirche in Leer (der Heimat des Chorleiters) sowie am 1. März 2015 in der Gartenkirche St. Marien in Hannover vor. Beide Konzerte waren recht gut besucht, nicht zuletzt dank der Unterstützung vieler Glaubensgeschwister. Die hannoversche Presse lobte die einfühlsame Wiederbelebung des Stückes durch die Solisten, das hochkarätig besetzte Barockorchester „la festa musicale“ (ebenfalls aus Hannover) und den Chor.

Das zu Beginn der Konzerte vorgetragene, gesanglich anspruchsvolle a capella-Stück „Absolon, my son“ von Jonathan Rathbone beschreibt passend zu dem Passions- bzw. Kreuzigungsgeschehen die Klage Davids um seinen gefallenen Sohn Absolon. Beide Stücke veranlassten das Publikum nach einem rund 150 minütigen Konzertprogramm zu mehrminütigem Beifall.

Der Chor „Choranima Nova“ ist aus dem Kammerchor der Neuapostolischen Kirche Hannover hervorgegangen. Zunächst bekannt als „Polnisch-Chor“, mitunter auch als „Tamilchor“, wuchs dieses Ensemble unter der Leitung von Professor Gerd Müller-Lorenz. Seit 2004 als selbstständiger Verein geführt, singt der Chor ab 2013 unter der Leitung von Keno Weber, der in der hannoverschen Chorszene (so u.a. auch im Norddeutschen Figuralchor) fest verwurzelt ist und als Lehrbeauftragter für Chorleitung in Würzburg und Detmold wirkt. Der Chor probt traditionell in den Räumlichkeiten der Kirche Hannover-Süd-Stadt (ehemals genannt „Hannover-Mitte“) und demnächst im neuen Gemeindezentrum Hannover Süd. Wenngleich grundsätzlich nicht konfessionsgebunden, ist Choranima Nova der Neuapostolischen Kirche fest verbunden, aktuell u.a. durch die Teilnahme an Benefizkonzerten zugunsten der Orgel für Hannover-Süd. Die überwiegende Zahl der Mitglieder ist neuapostolisch; zahlreiche Gemeindechordirigenten nehmen durch ihre Mitwirkung dort fachliche Impulse auf, die sie in ihren Gemeinde- oder Jugendchören verarbeiten.

Choranima Nova ist eingeladen, das musikalische Programm des Gottesdienstes zu gestalten, den Stammapostel Jean-Luc Schneider am 1. August 2015 in der Baltischen Philharmonie in Danzig halten wird. Für den Vorabend erarbeitet der Chor zurzeit ein geistliches Programm, mit dem er im weiteren Verlauf des Jahres auch in weiteren Konzerten in Niedersachsen zu hören sein wird.

Weiterführende und aktuelle Informationen: www.Choranima-nova.de

Autor: T.T. Fotos I.M.